Informationen zu der Publikation der Leonhard-Frank-Gesellschaft Nr.15

Hans Steidle: Von ganzem Herzen links. Die politische Dimension in Leonhard Franks Werk. Würzburg 2005.


Mit diesem rund 200 Seiten umfassenden Buch betritt die Leonhard-Frank-Gesellschaft Würzburg in dreifacher Weise Neuland:

1. Sie publiziert erstmals kein Heft mit Essays und Aufsätzen eines oder mehrerer Autoren, sondern ein in sich konsistentes Buch.

2. In diesem Buch versucht der Autor erstmals in Würzburg, das gesamte literarische Werk des Autors zu berücksichtigen und in geistesgeschichtlicher und politischer Hinsicht zu deuten.

3. Der Bildhauer und Maler Jürgen Hochmuth gibt mit seinen Illustrationen künstlerische Antworten auf das Werk des Dichters und die Deutungen des Autors.

Der Autor Dr. Hans Steidle, Gymnasiallehrer für Deutsch, Geschichte, Sozialkunde, veröffentlicht seit fast zwei Jahrzehnten Bücher und Essais zur Geschichte, Kulturgeschichte und Literatur Würzburgs, ist aber auch als Schulbuchautor tätig. Kulturführungen und Vorträge komplettieren sein Wirken. Einen Schwerpunkt seiner Tätigkeiten bilden das Leben und das Werk des in Würzburg geborenen Schriftstellers Leonhard Frank (1882 bis 1961).

Leonhard Frank hat sein literarisches Werk, jedoch auch sein ganzes Leben in dem autobiographischen Roman „Links wo das Herz ist“ unter dem Aspekt des Gefühlssozialismus interpretiert. Steidle nimmt diesen Anspruch und das Selbstbild Franks kritisch auf und stellt in den Erfahrungen mit der Mutter und dem Lehrer die Ursache für die Lebensmotive von Franks Werk, „Liebe“ und „Kampf gegen die Ungerechtigkeit“ dar. Nach einem Überblick über Leben und Werk Franks unterzieht Steidle das Frühwerk, das literarische Schaffen während der Weimarer Republik und das des Exils und der Rückkehr nach 1950 einer genaueren Untersuchung. Hierbei ordnet der Autor das Menschen- und Weltbild Franks, wie es sich in den Handlungen und Charakteren der Romane und Erzählungen äußert, in die Traditionen des politischen Denkens und der literarischen Motivverarbeitung ein. In einem Fazit werden die Ergebnisse zusammengeführt zu der Schlussfolgerung, dass das humanistische Anliegen Franks und sein Bemühen, zu aktuellen Fragen der Zeit eindeutig und Werte bezogen Stellung zu beziehen, den Dichter auch gegenwärtig in der Grundhaltung des Engagements und den angesprochenen Problemen als aktuell erweisen.

Ein durchaus überraschender Befund der Untersuchung besteht darin, dass sich das Werk Franks nicht einseitig einer „sozialistischen“ oder irgendwie gearteten „tendenziösen“ Kritik zuordnen lässt. Ausgehend vom Begriff der „Gegenwelt“ verdeutlicht Steidle, wie Frank zunächst die gescheiterte Flucht eines künstlerischen Menschen aus der autoritären Obrigkeitsgesellschaft vor 1914 gestaltet. Die Erfahrung des Ersten Weltkriegs ließ Frank als revolutionären pazifistischen Autor mit großer Wirkung in dem Erzählband „Der Mensch ist gut“ seinen ersten Höhepunkt als engagierter Schriftsteller erfahren. Die radikale Menschheitskritik soll zu einer Revolution der Liebe führen.

Zu Beginn der Weimarer Republik konkretisiert Frank das Konzept der Gegenwelt zum Aufbau einer oder Kampf für eine sozialistische Gesellschaftsordnung. Allerdings rückt Frank in der zweiten Hälfte das Thema der erfüllten Liebe in einer Zweierbeziehung in Romanen wie „Das Ochsenfurter Männerquartett“ und „Karl und Anna“ zunehmend in den Mittelpunkt seines Schaffens. Sein Liebesbegriff rekurriert in der Behauptung einer irrationalen und schicksalhaften Macht auf die Romantik. Liebe auf den ersten Blick für den „Traumgefährten“ erlaubt auch den Bruch gesellschaftlicher Konventionen. Frank hat die Liebesrevolution entpolitisiert und privatisiert. In dem bedeutenden Arbeitslosenroman „Von Drei Millionen Drei“ greift Frank zu Beginn der dreißiger Jahre wieder das Thema der sozialen Verelendung auf.

Im Exil von 1933 bis 1950 findet Frank erst spät zu literarisch fruchtbarem Schaffen, das auch eine politische Verarbeitung des Nationalsozialismus aufweist. Mit „Die deutsche Novelle“ und „Die Jünger Jesu“ knüpft Frank an den direkt politischen Werken der frühen Weimarer Republik an. Seine offen sozialistische Option und die konsequente Forderung nach Bestrafung und Verfolgung der NS-Täter bringen ihn in der Ära des Kalten Kriegs in Opposition zur Westintegration und zum Antikommunismus der Adenauerzeit, weswegen die DDR-Kulturpolitik die Verbreitung des Frank’schen Werks als das eines humanistischen und realistischen Schriftstellers fördert. Diese Situation hat eine unvoreingenommene Rezeption Franks über Jahrzehnte in der alten Bundesrepublik und seiner Geburtsstadt Würzburg verhindert, so dass er heute zu Unrecht zu den fast vergessenen Dichtern des 20. Jahrhunderts zählt.

Das Buch verdeutlicht insgesamt die Motive und Entwicklungslinien in Franks literarischem Werk. Der Begriff „politische Dimension“ verdeutlicht, dass die Untersuchung nicht auf die politische Stellungnahme und Tendenz, sondern auch auf die politische Relevanz von Fragestellungen, Charakteren und Handlungen zu beziehen ist. In diesem weiteren Sinne erweist sich die Einordnung mit dem an sich weit gefassten Begriff „Gefühlssozialist“ als tragfähig.

Das Buch richtet sich an eine politisch und literarisch interessierte Öffentlichkeit. Es versucht durch die Referierung des Werks auch jene Leser anzusprechen, die Leben und Werk Franks nicht genauer kennen. Es verweist auf die vielfältige Einbettung der literarischen Werke Franks in die deutsche Literaturtradition ohne Anspruch auf Vollständigkeit, jedoch zum Zwecke der vergleichenden Verdeutlichung. Das Buch ist auch für eine wissenschaftlich orientierte Arbeit geeignet, da es über weite Strecken neue Ansätze der Frank-Interpretation aufweist, die der Verfasser aus seiner Lesetätigkeit entwickelte und an Hand von konkreten Textstellen entwickelt.

Mit seinen Illustrationen gibt Jürgen Hochmuth eine künstlerische Antwort auf die Ideen des Dichters und die Deutungen Steidles. Dabei rekurriert der Künstler auf feste Elemente wie das Kreuz, das Gittermotiv, das Gesicht und die Handschrift Franks, die in allen Illustrationen zitiert werden. Durch diese künstlerische Ebene wird ein eigenständiger Diskurs eröffnet, der über den des Verfassers mit dem Werk Franks hinausgeht.

Das Buch ist im Buchhandel und bei der Leonhard-Frank-Gesellschaft für 12 € (plus Versandkosten) zu beziehen.